Es gibt immer wieder Phasen im Leben eines jeden Menschen, in dem
dieser an seine Grenzen stößt. In denen er aufwacht und zu Bewusstsein kommt.
Und diese Irritation und das Gefühl sollte, nein, darf nicht ignoriert, ausgeblendet
oder verdrängt werden.
So unangenehm bis schmerzhaft Grenzerfahrungen sein können, so
liegt in deren Überwindung das Potential für wahre Veränderung oder
Entwicklung. Mit jeder vermeintlichen Fehlentscheidung bereiten wir den
Weg für Wachstum. Aber nur wenn wir innehalten und unser Handeln sorgfältig
reflektieren, unsere innere Haltung auf den Prüfstand stellen. Dabei muss der
Blick nach Innen gerichtet sein. Eine Rückschau kann zunächst sinnvoll sein,
aber bringt wenig Veränderungschancen. Sich Fehlverhalten einzugestehen und daraus
zu lernen, Konsequenzen für sein zukünftiges Handeln zu ziehen, ist der einzig
wahrhafte Weg. Und nichts was einem über Nacht zufliegt.
Manche Entscheidungen sind nicht leichtfertig zu treffen.
Sinnvollerweise nimmt man sich Zeit dafür, wenn man diese hat. Und wenn man
keine Zeit hat, dann nimmt man sich Geduld. Alles was es braucht ist der Wille
sich mit seiner Entscheidung auseinanderzusetzen. Und das kann eine gehörige
Portion Wille erfordern, sich mit Dingen auseinanderzusetzen, die nicht leichtfertig
zu entscheiden sind, die man gerne verdrängt oder aufschiebt. Zentral ist,
dass die Richtung der Entscheidung nicht aus vergangenem Handeln heraus
motiviert ist und frei und auf das Jetzt bezogen gefällt wird.
"Wie möchte ich in Zukunft
sein?"
"Welchem Menschen möchte ich morgens
im Spiegel ins Gesicht sehen?"
In gewisser Weise hilft der Gedanke an Karma. Anders als viele
denken, ist Karma kein Bestrafungsinstrument, es ist Prinzip der Gerechtigkeit.
Die positive Energie, die man in die Welt schickt, die bleibt erhalten, kehrt
in verwandelter Form früher oder später zu einem zurück. Gute Taten werden
belohnt, wenn Sie aus einer Haltung der Selbstlosigkeit heraus getan werden.
Vergebung statt Rachegefühl, Mitgefühl statt Egoismus. Und an irgendeinem Punkt
verwandelt die Liebe Hass. Darin liegt die Hoffnung. Umgekehrt funktioniert
Karma auch, aber man bleibt Schmied seines eigenen Schicksals. Die Macht, sein
zukünftiges Ich zu ändern, liegt in der eigenen Hand. Kein Schicksal ist
vorgefasst, es konstituiert sich mit jeder unserer Handlungen neu.
Also schalte man zunächst die „Was-wäre-wenn“-Gedankenmaschine ab
und kümmere sich um den Ruf der Zukunft, das Motiv, das einen in die Richtung
zieht, in der sich eine Vision eines authentischen autonomen Menschen
abzeichnet. Das sind große Worte, aber es beginnt im Kleinen.
Ich schreibe das alles, weil ich meilenweit entfernt bin von diesem Ideal. Aber Menschen ohne Ideale sind wie Fischer, die im Trüben fischen. Es kann sein, dass sich für sie durch Zufall ein Fang ergibt, aber genauso kann es sein, dass sie am Abend leer ausgehen. Am Ende ist man doch immer für sein Handeln voll verantwortlich. Es liegt nun an einem selbst, wie man an den Herausforderungen im Leben wächst, wie man Rückschläge einsteckt (Resilienz), wie man Wege aus Verzweiflung, Krankheit oder Erschöpfung findet. Auch das klingt wieder mächtig dramatisch. Aber so ist nun mal das Leben. Es birgt Schicksalsschläge, es tut weh, es läuft nichts nach Plan und wenn dann – es tut mir leid – muss es verdammt öde sein und man lebt nicht, man vegetiert, gibt sich mit Lebensumständen zufrieden, die einen nicht zufrieden stellen, sondern lediglich dürftig bis gerade so akzeptabel sind, für die innere Stimme nach Freiheit und Selbstbestimmtheit völlig taub. Ob man das letztere Leben führt oder in einem bescheidenen Maß an Zufriedenheit für einen vielleicht das ehrlichere Glück liegt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Es obliegt jedem Menschen das Leben zu führen, das er möchte.
Natürlich gibt es Menschen, die privilegierter sind als andere
(gesellschaftlich, sozial, bildungsbezogen, finanziell), aber inneren
Frieden zu finden muss jeder Mensch für sich allein. Willensstärke ist nicht
abhängig von Geschlecht, Alter, Herkunft, Glauben oder Weltanschauung. Und zu
dem Willen gehört der felsenfeste Glaube an das Gute, der Optimismus, dass am
Ende alles gut ausgeht. Und wenn nicht, dann zumindest ein Gefühl, zu sich
selbst zu finden und am Ende sagen zu können: Ich habe alles getan, um mich mit
der Welt auszusöhnen, auch wenn ich Dinge gesagt und getan habe, die andere
Menschen verletzt haben oder Unglück hervorgebracht haben. Wenn man erst einmal
an dem Punkt ist, die eigenen Bedürfnisse zugunsten anderer zurückzustellen,
dann ist dies ein Akt wahrer Liebe. Nur so können wir diese Welt zu einem
besseren Ort machen.